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Johann Heinrich Zangs „Vollkommener Orgelmacher“

7. Die Sonne

Die SonneFür den Schluss habe ich noch einen kleinen Abschnitt aufgespart, in dem ZANG offenbar wieder etwas Eigenes beschreibt. Es handelt sich um eine mit einem Glockenspiel gekoppelte Sonne für den Orgelprospekt. Allerdings ist ZANG vorher an mehreren Stellen des Buches über „Kindereien“ hergezogen, die in der Kirche eigentlich nichts zu suchen hätten. Zimbelstern, Vogelgezwitscher, Pauke und Kuckuck sollen „zum Kukuk verwiesen werden“. Aber


Wenn ich ja einen Zierrath an eine Orgel ordnen wollte, so wäre es eine Sonne, an der die geraden Strahlen von röthlichen und die geschlängelnden von gelben Folien wären; sie könnte nach der Größe der Orgel 2 auch 2 ½ Schuh im Umfange haben, und auf ein blaues Feld von blauer Folien von 2 ½ oder 2 ¾  Schuh  mit dünnen Drähten befestigt werden. Dann würde eine Ellypsin von der Länge des blauen Diameters gemacht, auf die Hälfte des äußersten Randes desselben, käme ein gründes Folienband, worauf man etwas zweckmäßiges, z.B. heilig, heilig, heilig oder Lobe den Herrn, mit Goldfolien setzen könnte. Dieß Band könnte von 2 oder 4 Genien von Silberfolie mit oder ohne Flügel gemacht, gehalten werden.

Diese Ellypsin hinter der fest stehenden Sonne, würde oben am Haupte der Sonne, wo die Strahlen anfangen, an eine Welle angelegt, die in das Orgelwerk zu dem Windrade geht, das sie treibt, und obige Worte statt eines Sterns herum drehet, so daß der Anfang der Worte, hinter der Sonne, auf der linken [muß wohl heißen: rechten] Seite aufwärts steigen, die man nach und nach zu lesen bekommt, welches durch das Aufsteigen der Ellypsin bewerkstelligt wird, die | man nie ganz sehen dürfte. …((S. 133))

Die Sonne als ZimbelsternIch habe versucht, ZANGs Konstruktion aufzuzeichnen, die Vereinfachungen möge man mir nachsehen. Der Rest ist der Mechanismus eines Zimbelsterns, mit 6 Glöckchen c‘, e‘, g‘, c“, e“, g“ (etwas tief für heutigen Geschmack). Die Beschreibung klingt fast so, als habe ZANG seine Sonne schon einmal gebaut und noch viel Sympathie dafür; wer das Schönschreib-Buch gesehen hat, kann sich Schriftband und Genien wohl vorstellen. Mainstockheim läge als Ort der Realisierung nahe, aber nach heutiger Kenntnis hat es dort keine Sonne an der Orgel gegeben. Gegenüber einem gewöhnlichen Zimbelstern oder einer sich drehenden Sonne ist der Unterschied natürlich nicht besonders groß: Nur das Drehen bekommt sozusagen sein theologisches Gewicht, denn es dient einer frommen (bemerkenswert nüchtern: „oder sonst etwas zweckmäßiges“) Laufschrift. Und so hat die Kantorenpraxis ihren Zimbelstern wieder, wie er für Taufen, Hochzeiten und Weihnachten gebraucht wird, und der gestrenge Orgelsachverständige ZANG erscheint uns in freundlichem Licht.