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Zweyter Abschnitt.

§. 11. Von den zinnernen Pfeifen.

1.) Man sehe, ob alle Register von Zinn oder Metall, mit allen ihren Pfeifen nach dem Akkord da sind?

2.) Ob die Pfeifen rund oder eingebogen sind? Letzteres ist nicht zu dulden.

3.) Ob an großen 16 füßigen Pfeifen hintenher irgend schlechteres Zinn ist?

4.) Ob die Pfeifen im Gesichte von gutem Zinn sind, wie sie bedungen worden?

5.) Man probirt das Zinn und Metall auf folgende Art:

Erstens mit dem Probirstein.

Man nimmt einen Probirstein, wie die Goldschmiede haben, auf diesen mache man einen Strich von englischen Zinn, wenn englisch Zinn bedungen worden. Neben diesen Strich macht man einen zweyten mit den Pfeifen, die eine Gleichheit haben müssen, wie bey der Gold und Silberprobe.

Bey den metallenen Pfeifen.

Hier sehe man ebenfalls, wie das Metall laut Akkord bedungen worden; z.B. es wäre Zinn und Bley bedungen worden, nach Verhältniß wie 4 zu 3 da nimmt man also 4 Loth fein englisch Zinn und 3 Loth Bley nett, schmelzt und rührt es wohl untereinander, gießt es aus und macht damit einen Strich auf den Probirstein. Nun macht man von den grösten Pfeifen, und zwar von etlichen, Striche daneben, so wird sich gleich am Strich zeigen, ob es einerley, oder schlechter ist, denn beßer ist es wohl niemals, das auch nicht verlangt worden.

Wäre das Metall halb und halb bedungen, so nimmt man Zinn und Bley dem Gewicht nach, eines so viel als das andere, und verfährt wie oben. Hiebey muß sich der Orgelmacher gefallen laßen, weil es bedungen worden, ein Stück von einer oder etlichen der großen Pfeifen abzuschneiden, wofür er wieder die Pfeifen ergänzen muß, wenn es nöthig ist.

Die zweyte Probe.

Man nehme von dem Zinn wovon die Pfeifen im Gesichte bedungen worden, z. B. fein englisch Zinn, oder es soll sich das Zinn zum Bley wie 8 zu 1 verhalten, so nimmt man 8 Loth fein Zinn und 1 Loth Bley. Wenn das Verhältniß anders ist, so nimmt man nach dem beschriebenen Verhältnis, und schmelzt es, rührt es wohl um, und gießt etliche Kugeln davon in eine Kugelform, darauf nimmt man von einer Pfeife ein Stück und gießt in die nämliche Form eine Kugel, das thut man von noch einer oder mehreren großen Pfeifen. An allen diesen Kugeln putzt man die Angüße schön ab, legt die Probekugel in eine, und die Pfeifenkugel in die zweyte Wagschale, wenn sie am Gewicht gleich sind, so ist es ein Zeichen, daß nicht mehr Bley unter die Pfeifen gekommen, als bedungen worden. Ist aber mehr Bley darunter gekommen, so wird die Kugel von der Pfeife bey der mehr Bley ist, schwerer wiegen, denn das Bley verhält sich zum englischen Zinn fast wie 8, zu 5, auf gleiche Art kan man auch das Metall probiren.

Anmerkung: Die Nürnberger Probe ist, 10 Pfund Zinn und 1 Pfund Bley.

6.) Dasjenige, oder diejenigen Register die vorn im Gesicht stehen, müßen, des guten Ansehens wegen, von englischen Zinn gemacht seyn; und wenn man ja dabey auf einige Sparsamkeit sehen wollte, so soll man nicht mehr als unter 8 Pfund Zinn 1 Pfund Bley nehmen; denn wenn man mehr Bley nehmen wollte, so würde es ein sehr schlechtes Ansehen bekommen. Und diesem nach muß auch die Zinnprobe nach der Bedingniß gemacht werden.

7.) Das innere Pfeifwerk probirt man nach der im Akkord beschriebenen Bedingniß, es mag nun der Gehalt des Zinns zum Bley wie 1, zu 1, oder wie 2, zu 1, oder wie 4 zu 3, oder wie 5 zu 4, seyn.

Wenn das Metall schlechter gemacht und mehr Bley als Zinn bedungen worden, so geben nicht nur die Pfeifen einen schlechten Ton, sondern sie dauren auch nicht lange. Denn ich weiß aus Erfahrung, daß sie sich mehrmals schon in Zeit von 10 Jahren zusammen gesetzt haben.

8.) Zungenwerke sollen und müßen von gutem Zinn sein, möglichst von Metall dazu sich Zinn zum Bley wie 5, zu 1, verhält, nämlich zu 5 Pfund Zinn 1 Pfund Bley, sie lauten sonst heischer, wie ein Sänger der die Schwindsucht hat. Denn je härter die Pfeife, von gutem Zinn gemacht ist, je vortrefflicher ist ihr Klang. Daher auch geschickte Orgelmacher die auf Ehre sehen, ihre Pfeifen noch über das, ob sie schon von gutem Zinn sind, durchaus hämmern, wie die Kupferschmiede die Keßel zu hämmern pflegen. Ich habe einer Probe von zwey Pfeifen, aus einerley Zinn in einem Posaunbaß mit beygewohnt, davon die eine Pfeife gehämmert war, und die zweyte nicht. Der Unterschied dabey war so groß, daß man sagen mußte, die gehämmerte seye wie von Glas und die ungehämmerte wie von Holz verfertigt. Dieß sollte billig ein Hauptkunstgriff für alle Orgelmacher seyn, die sich die Zeit die zum Hämmern verwendet wird, nicht gereuen laßen sollten, indem hiedurch nicht nur ein viel hellerer Ton an den Pfeifen bewürkt, sondern die Pfeifen würden durch die Härte die sie dadurch bekommen, auch viel länger dauern.

9.) Ob die zinnern Pfeifen ihre gehörige Stärke haben, erfährt man auf folgende Art: Man fängt vom großen C Cis, D Dis, an und geht alle Claves im Manual und Pedal, einzeln, alle Register von Zinn durch, und hört: ob solche alle eine gleiche Intonazion haben? ob sie nicht im Baß viel stärker, als im Sopran, oder in den obern Octaven stärker als in den tiefen klingen; oder, was ganz unleidlich ist, ob eine Pfeife neben der andern stärker oder schwächer anspricht? welches ganz zu verwerfen ist, denn der Orgelmacher muß eine gleiche Intonazion veranstalten.

10.) Untersuche man dabey, ob sie in den tiefen Tönen gut ansprechen; nicht tremuliren, oder zittern, oder überschlagen, das ist; eine Octave höher ansprechen, als sie sollen.

Wenn sie den Ton nicht just halten, so sind sie zu dünn gearbeitet, und müßen daher umgeschmolzen und stärker gemacht werden.

11.) Die Mixturen die nicht gleich ansprechen, wenn ein Clavis nicht gleich stark wie der andre klingt, haben den Fehler, daß der Orgelmacher der nicht stimmen kan, oft an dem zu schwach klingenden Tone, eine, zwey oder mehrere Pfeifen zudruckt, damit sie lieber gar nicht, als unrein klingen. Daher ist:

12.) Bey den Mixturen fleißig nachzusehen, wie vielfach sie verdungen worden; ob alle Pfeifen da sind? und ob sie alle lauten? was alsdenn unrein ist, muß der Orgelmacher rein stimmen.

13.) Bey den zinnern Pfeifen ist nachzusehen, daß die Register bey den Labien keine Bärte haben, weil sie((Druckfehlerberichtigung: …wo sie…)) nämlich keine haben müßen; z. B. das Prinzipal oder Prästant darf an den tiefen Pfeifen so wenig Bärte haben, als an den hohen: Hingegen haben einige Register durchaus Bärte, wie aus nachfolgenden zu ersehen ist.

14.) In einer neuen Orgel darf keine zinnerne oder metallene Pfeife eingebogen, kein Stück angelöthet, oder eine Pfeife gedeckt seyn, wenn nicht das ganze Register gedeckt ist.

Um Wißbegierige in dieser Kunst noch weiter zu bringen, bemühete ich mich, einen durch viele Orgelwerte berühmten, von allen Vorurtheilen freyen, und menschenfreundlichen Mann zu Rathe zu ziehen , es ist Herr Johann Michael Voit zu Schweinfurt, dessen Bereitwilligkeit ich nachstehenden Beytrag zur Vervollkommnung der Orgeln zu verdanken, und zu rühmen Ursache habe.

Auf Tab. II. der beyliegenden Kupfertafel sind die Pfeifen von mehrern Registern, nach verjüngten Maasstabe, theils mit, theils ohne Bart, theils auch mit Seiten = theils Winkelbärten, verzeichnet und abgebildet, wie sie so wohl cylindrisch, d. i. gleich weit, als auch conisch, d. i. oben oder unten spitzig, verfertigt werden müßen.

Die Mensur einer jeden Pfeife ist von dem Labio an, bis zur obersten Höhe genommen, denn die Füße unter dem Labio welche man nach Belieben und nachdem es sich schickt, länger oder kürzer machen kan, werden nicht dazu gerechnet.

No. 1. Bildet daher eine Prinzipalpfeife 8 Fußton ab, welche durchs ganze Register ohne Bärte seyn müssen.

No. 2. Viola di Gamba, oder Schweizerpfeife 8 Fußton, welche wegen der engen Mensur etwas länger als 8 Fuß seyn muß.

No. 3. Salcional 8 Fußton, mit Seitenbärten und auch etwas länger als 8 Fuß wegen der engen Mensur.

No. 4. Gemshorn 8 Fuß mit Seitenbärten und oben conisch.

No. 5. Quintatön 16 Fuß aber gedeckt mit Winkelbärten.

No. 6. Quintatön 8 Fuß mit Winkelbärten.

No. 7. Rohrflöte 8 Fuß gedeckt mit Winkelbärten.

No. 8. Spitzflöte 4 auch 8 Fuß mit Seitenbärten.

No. 9. Flachflöte 4 kan auch 8 Fuß seyn, mit Seitenbärten.

No. 10. Spielflöte kan 4 und 8 Fuß seyn, mit Seitenbärten.

No. 11. Nachthorn von 4 Fuß.

No. 12. Dolcan 4 Fuß, abwärts conisch.

No. 13. Flageolet 2 Fuß.

No. 14. Blockflöte 2 Fuß, mit Seitenbärten.

No. 15. Nassat 3 Fuß und offen.

No. 16. Nassat 3 Fuß und gedeckt, mit Seitenbärten.

No. 17. Waldflöte 1 Fuß, mit Seitenbärten.

Hievon findet sich §. 25. unter No. 1. noch eins und das andere zum nachlesen.

Da ich in einigen vorhergehenden §. §. der guten und sehr accuraten Belederung gedacht habe, und in folgenden §. §. auch noch mehreres davon vor kommt, so bemerke hiebey, daß sich Hr. Voit bey der Belederung der Ventile, der Windlade wo die Parallelen gehen etc. des Vortheils bedient, daß er das Leder, wo es irgend zu stark gegen eieinem Fleck, der dünner ist, mit Bimsenstein oder mit Sand, so lange abreiben läßt, bis es überall von gleicher Dicke ist, da man denn gewiß versichert seyn kann, daß bey genauer Abreibung, jedes Ventil und jede Parallele auf das Beste decken muß, und daß auf solche Art der Wind weder unter den Parallelen von einer Pfeife in die andre dringen, noch derselbe bey einem Ventil, in eine Canzelle kommen kan, dabey man also keiner Betrügerey, wie von schlechten Orgelmachern sich zu versehen hat.